Frühmorgens fahren wir mit Antoine raus in den Pazifik-Nebel vor Ucluelet. Im Dreier-Kayak, so wie wir es lieben. Mit uns nur noch ein Schwesternpaar aus Vancouver. Die frühmorgendliche Fahrt durch den kühlen Nebel und die gelegentlich einbrechende Sonne ist ein Fest für die Sinne. Claudia entdeckt, wie immer als erste, den Bären. Ein prächtiges Schwarzbärenexemplar am Strand von Tokhua. Und danach auch noch ein Seeadler mit Lachs.

Fahrt von Port Alberni nach Ucluelet. Von 38 Grad Celsius auf 18 und weniger Grad Celsius. Grund für diesen Temperatur-Sturz ist Ucluelets Lage in der Wet Fog Zone. Nassnebelzone. Der Pazifik ist in permanenten Nebel gehüllt und treibt das Grau in Fetzen ans Ufer. Die Zone ist etwa 2 km breit und nur selten von Sonne durchdrungen. Eine absolut mystische Stimmung mit permanentem Kälte- und Nässegefühl. Das Nebelhorn des Ucluelet-Leuchtturms hallt unaufhörlich, Tag und Nacht durch den Nebel. Begleitet durch die Geräusche der Nebel-Bojen. Anfänglich beunruhigend wird der Klang allmählich zum vertrauten Begleiter.

Fahrt von Parksville nach Port Alberni. Es ist noch immer heiss. Extrem heiss. Über 35 Grad in Kanada. Dass sich das Klima wandelt hat mittlerweile fast jeder bemerkt (ausser Donald, der alte weisse Mann). Das Umwelt-Bewusstsein in Kanada ist weiter gestiegen. Der Wille zur Veränderung, der Wille zum Beitrag ist omnipräsent, aber spürbar ist noch wenig. Ein paar Teslas in Vancouver bringen nichts gegenüber den Tausenden von spritfressenden Pickups.
Besuch der McLean Mill. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, wie jung Kanada als moderne Nation ist. Nicht wie Südamerika oder die USA ab dem 15. Jahrhundert besiedelt, sondern erst Ende des 18. Jahrhunderts überhaupt entdeckt bzw. kartographiert und Ende des 19. Jahrhunderts besiedelt. Die McLean Mill wurde von 1920 bis 1960 betrieben und das Gelände zeigt eindrucksvoll das entbehrungsreiche Leben völlig ab vom Schuss. Und es zeigt einmal mehr, wie schwierig es ist, in neuen Regionen wirtschaftlich auf die Füsse zu kommen. Egal ob Rinderzucht in Patagonien, Farming im mittleren Westen der USA, Mining am Yukon oder Holzwirtschaft in Kanada, die Gründungstätigkeit ist knallhart und entbehrungsreich.

Beeindruckende Höhlenlandschaft in der Mitte Vancouver Islands. Bauch einziehen und durch. Nichts für Klaustrophobiker!

Park Sands RV Park. Direkt an einem wunderbaren Strand gelegen, der uns den Atem raubt. Wir haben nicht viel erwartet und werden positiv überrascht. Nahezu Europa-Touristen-frei, reiht sich ein kanadisches Riesen-Womo neben das nächste. So also begrüsst uns Vancouver Island. Auf einer Fläche von 31'000 m2 leben knapp 800'000 Einwohner. D.h. auf einer Fläche 3/4 der Schweiz leben 1/10 der Einwohner der Schweiz. Die meisten davon im Süden rund um Victoria. Der Norden ist beinahe menschenleer. Das Klima hier ist für kanadische Verhältnisse ausgesprochen mild. Der Küstensaum und die Flüsse sind sehr fischreich. Dies hängt mit den Meeresströmungen zusammen.

Truck Camper TC 8-10 von Fraserway RV Rentals. Gefasst am Stützpunkt Delta. Geile Maschine. Geräumiger als erwartet, völlig ausreichend für uns. Vorausgesetzt es regnet nicht 3 Wochen. Der Ford («built tough») frisst immer noch 18 Liter auf 100 Kilometer. Null komma Null Fortschritte diesbezüglich im klassischen Autobau. Grosseinkauf und dann ab auf die Fähre. Ab auf die Insel.

Vancouver verkörpert Zukunft. Die Zukunft ist weiblich und asiatisch. Weiblich und asiatisch dominiert auch die Studentenschaft der UBC. Und auch das allgemeine Strassenbild der Stadt. White ist nicht trash. Aber white ist nicht mehr das Weltmass der Dinge. Die 400-jährige Ära des weissen Mannes ist vorüber. Gewöhnen wir uns daran. Mein lieber Jonas, gewöhn vor allem Du Dich daran. Mit Deiner Neugier kommt das gut.

Zwischen diesem Reise-Blog und dem letzten Eintrag liegen 5 Jahre. Es ist nicht so, dass wir in diesen 5 Jahren nichts entdeckt hätten. Never stop exploring. Neverever. Be curious, stay hungry. Aber die Berufs-Familienkonstellation hat uns kleinere Brötchen backen lassen. Korsika: das wunderbare, wilde, rebellische Eiland. Pamphylien: historisch reich und bewegt, heute luxuriös-dekadent und kommerziell. Sizilien: reich an Vergangenheit, arm an Gegenwart, ohne Zukunft? Kleinere und kürzere Brötchen ohne gross Zeit für Reflexion und Vertiefung. Sondern um abzuschalten und zu erholen.





Kitsilano, our hood. Was für ein tolles Quartier. Unsere AirBnb Wohnung liegt nur 3 Minuten vom Kitsilano Beach entfernt.

Good morning Vancouver! Dein typisches Antlitz von seiner schönsten Seite. Blauest das Meer, grünest die Wälder, glitzernd die stets wachsende Skyline. Nur etwas zu heiss, wie grad überall auf der Nordhalbkugel (die Wälder brennen u.a. grad in Kanada, Schweden, Griechenland, Deutschland, Schweiz). Die perfekte Kulisse für den Start einer wunderbaren Reise. Endlich wieder eine Reise. Und nicht bloss Ferien. Eine Reise zu uns und für uns als Familie. Eine Reise zurück zum Ort, wo wir vor 5 Jahren waren. Ein Kreis beginnt sich zu schliessen, ein Zyklus geht über in einen neuen.

Wir haben es genossen. Überaus genossen. Genossen, eine schrecklich nette Familie im Sabbatical gewesen zu sein. Viel Zeit für einander gehabt zu haben. Die Zeit genutzt zu haben. Pulsierende Metropolen erlebt zu haben. Verschwenderische Weiten durchfahren zu haben. Natur pur, mit 3.4 Menschen pro Quadratkilometer. Kontraste erfahren zu haben. Und Symbiosen. Gerlernt zu haben. Die Weiterbildung in Berkeley und an der UBC aufgesogen zu haben, verbunden mit der Absicht, dies von nun an jährlich zu tun. Lebenslanges Lernen. You will always be drawn to the process of learning, energized by the steady and deliberate journey from ignorance to competence. Immer wissen, was man alles nicht weiss. Stay hungry, stay humble. Gespürt zu haben, dass sich die Menschheit bewegt und sich kümmert. Unaufhaltsam. Nicht nur auf Cortes. Lifestyle of voluntary simplicity. Dass gesellschaftliche Dynamiken im Gang sind, die gut sind. Nicht alle, aber viele. Conscious Co-Creation. Immer weiter in Richtung maximale Komplexität. Real illiteracy is the inability to create. Also kreiere. Oder versuche es wenigstens. Erlebt zu haben, dass gute Gastgeberschaft als auch gute Gastnehmerschaft weltweit geschätzt werden. Immer mehr, dank Share Economy, dank Airbnb. Danke an die lieben Leute, die wir auf unserer Reise kennenlernen durften. Danke an die lieben Leute, die während der vier Monate an uns gedacht haben. Put yourself in conversation. Die Reise geht weiter. Wie auch immer. Wohin auch immer. It's a pilgrimage. Wir freuen uns.