Es ist gut und wichtig, in diesen Tagen weggegangen zu sein. Mit Korsika erschliesst sich uns ein eigentümlicher, spannender und wunderschöner Fleck Europas. Wir werden dereinst bestimmt auch noch den Süden erkunden. Nun zurück nach Zürich, neue Kapitel warten. Schliesse die Türe auf, lege eine andere Platte auf, räume dein Haus auf, schüttle den Staub aus. Weiterrudern.

Ein letzter Abend in "unserem" Bastia mit Nationalbier und Abendessen oben in der Zitadelle.

Schöne Wanderung von Lama nach Urtaca. Von einem kompakten alten Dorf zum anderen. Ursprüngliche korsische Dörfer schauen oft aus wie Festungen, wie, Fliehburgen, wie Adlernester. Die Turmhäuser (vergleiche dazu Prastos auf dem Peloponnes) sind aus Bruchstein, ohne Mörtel geschichtet. Die meisten Häuser sind Familienstammsitze und früher waren in einem Casa ganze Sippen untergebracht. Der zentrale Wohnraum "Salla" wurde gemeinschaftlich genutzt, die Räume unter den verschiedenen Familien aufgeteilt. Zum Salla hatten Freunde und Nachbarn jederzeit Zutritt, es wurde am offenen Feuer gekocht, gegessen und diskutiert.

Corte liegt im Inselinnern, umgeben von Wäldern, Flüssen und Bergen. Und Macchia. Wer das Herz und die Seele Korsikas entdecken möchte, der fahre nach Corte. Corte wache über die Identität der Insel als Symbol der Wünsche und Hoffnungen ihrer Bewohner. Heisst es. Wenn also die Korsen als konservativ, stoisch, traditionsbewusst, allenfalls gar etwas feindselig und ungastlich wären, dann müsste man dies in Corte sehen und spüren. Tatsächlich finden sich die Zeichen des Protestes gegen die "Kolonialisierung" und für die Unabhängigkeit in der Umgebung von Corte etwas gehäufter als sonst auf der Insel, Ungastlichkeit hingegen erfahren wir nicht.






Hauswand in Corte. Freiheit für Yvan Colonna wird hier gefordert. Colonna ist verurteilt für die Ermordung des französischen Regionalpräfekten 1998. Colonna versteckte sich 10 Jahre lang unentdeckt... in der Macchia. Kurz nachdem ich diesen Eintrag schreibe, wird der ehemalige Anwalt von Colonna auf Korsika erschossen, der Tagi berichtet mit dem Titel "Mörderische Insel".


Auf Strassenschilder wird gerne geschossen. Oder aber die französischen Ortsbezeichnungen werden übersprayt.

Wir verbringen den Tag am Meer. Eine wunderbare und ausserordentliche Stimmung. Denn ausser uns ist da niemand. Der riesige Strand ist menschenleer. Diese Ruhe. Da ist sprichwörtlich kein Schwein. Apropos Schwein. Das Schwein steht im kulinarischen Mittelpunkt Korsikas. Mit Eicheln und Kastanien gefütterts schwarzes Schwein das zu Prisuttu, Lonzu, Salamu, Figatellu und so weiter wird. Die korsische Charcuterie ist legendär. Buon Appititu!


Ein Grund, kein Nationalheld sein zu wollen. Man endet als solcher immer und weltweit auf den Etiketten der billigsten Weine (z.b. Pascal Paoli). Oder der billigsten Biere (z.b. Tell).

Fahrt durch die Balagne nach Calvi. Durch die Macchia hindurch. "Die Macchia ist die Heimat der korsischen Hirten und all derer, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind." (Prosper Mérimée). Und das sind/waren einige im Verlaufe der Geschichte dieses freiheitsliebenden Volkes. Wir wandern nach Occi, zu einem verlassenen Dorf hoch über dem Meer und gehen danach weiter nach Calvi. Apropos verlassene Dörfer: die Entvölkerung der Dörfer im Landesinnern scheint dramatisch.

Rauf in den Norden, in die Landzunge die Richtung Frankreich zeigt, wo die Genueser viele ihrer Wachttürme aufstellten, ins Cap Corse. Auf den Spuren der Zöllner, auf dem Sentier des Douaniers von Macinaggio zum Strand von Tamarone. Schöner, einfacher Trail, auch mit Kind gut zu meistern.






Tapferer Mann. Den Wespenstich am Strand mühelos weggesteckt.

Wir schlagen unser Lager in der Nähe von Bastia auf und entsprechend ist der erste volle Tag auf der Insel dieser Stadt gewidmet. Wir mögen dich sofort, Dich rauchig-vergilbte, charmante, stilvoll verwelkte Hafenhure von einer Stadt. Dich Klein-Havanna.

Es gibt sie, diese Tage. Nach langen Jahren des unfall- und bussenfreien Reisens will es auf dem Weg gen Süden diesmal nicht so recht. Polizei-Grosskontrolle in der Innerschweiz. Gesperrte Gotthard-Röhre und Umweg über den Pass. Gesperrte Autobahn zwischen Chiasso und Milano. Parkunfall in Bastia und eine Geschwindigkeitsbusse ebenda. Alles innerhalb weniger Stunden auf einem Weg von A nach B. Egal. Die Fährüberfahrt war grossartig und wir merken rasch, dass man sich Korsika verdienen muss. Korsika ist keine Gegend, die es einem einfach macht. Sie machen es ja nicht einmal sich selber einfach.


Savona - Bastia



Wenn das Ausfüllen des Unfallprotokolls zum Spektakel wird. Viele Korsen sprechen nämlich entweder seltsam Französisch, oder aber können es nicht schreiben. Mit viel Unterstützung von Zaungästen schaffen wir es irgendwie, und stellen nebenbei fest, dass die energische Dame, welche die zweite Unfallpartei darstellt, rein gar nichts sieht. Sie ist nicht in der Lage, irgendwas auf dem Protokoll zu lesen oder zu schreiben. Aber Autofahren, das kann sie. Äh tut sie.

Die Wahl der Reisedestination gestaltet sich im Hause Jaberg aktuell so: Auf der Landkarte den Zirkel in Zürich eingesteckt und zwei Kreise gezeichnet. Der eine Kreis beinhaltet das Gebiet innerhalb von 6 Autofahrstunden, der zweite Kreis das Gebiet innerhalb 2 Flugstunden. Wenn es denn Ende September noch etwas warm sein soll, wird das Zielgebiet klein. Und so freuen wir uns auf einen erstmaligen Besuch Korsikas. Elba hätte, rein metaphorisch, noch besser gepasst. Ab ins Exil.