Wir nehmen das letzte Heim unserer Reise in Beschlag. Am Südzipfel der Insel gelegen, direkt am Meer, am Desolation Sound. Ein spezielles Haus. Hot Tub mit Sicht aufs Meer. Freistehendes Sweat House (Sauna). Voller indischer und tibetanischer Insignien.Tantra-Mantra-Kamasutra-Yingyang-Räucherstäbchen-Ästhetik. Vermengt mit Henry David Thoreau's "Life in the Woods", Blockhaus, Bären, Wölfe und Selbstversorgung. Die ergiebige Bibliothek bestückt mit 'Flow - Psychology of Optimal Experience', 'Walking between the Worlds - Science of Compassion', 'The Physics of Angels' und so weiter. Empfangen werden wir von Leaf, einem typischen Cortes Islander. Kayak-Bauer, Fremdenführer, Mann für alles, Weltenbummler, Veganer, Spiritualist mit Spezialgebiet Indianische Frühkulturen. Eimal pro Tag schneit er barfuss ins Haus, um ein Bier abzustauben. Im Gegenzug erklärt er uns am Feuer die Zyklen des Maya-Kalenders. Leaf hütet das Haus für Parker. Ehemaliger Investment-Banker aus Colorado, nun ebenfalls tiefgründig und nachhaltig unterwegs. Schlüssel für das Haus gibt es nicht. Auf Cortes herrscht Friedfertigkeit. Keine Polizei. Keine abgeschlossenen Türen. Selbstverwaltung und Eigenverantwortung.

Die Nacht in Port Hardy ist kurz. Wir teilen unser Motel mit schweren Jungs aus dem sekundären Sektor. Bauen, Fällen, Graben, Transportieren. In diesem Falle steht die Errichtung einer grossen Windenergieanlage in Port Hardy auf dem Programm. Unser Tages-Programm lautet runter und rüber. Runter auf Vancouver Island nach Campbell River, dann mit der Fähre rüber nach Quadra Island und mit einer weiteren Fähre nach Cortes Island.

Sie ist keine Schönheit. Aber sie hat Charakter. Und einen Namen. Was für ein Name! 'Queen of Chilliwack'. 1978 in Norwegen gebaut und 1991 über den Atlantik nach British Columbia geführt. Seither auf der legendären Inside Passage zwischen Bella Coola und Port Hardy im Einsatz. Platz hätte sie für 400, die alte Dame. Wir teilen uns die Fähre jedoch mit nur 5 Handvoll Mitreisender. Während der beeindruckenden12-stündigen Fahrt durch Fjorde und zwischen Inseln geben Delphine und Wale der Queen of Chilliwack ihr Geleit. Die Kombination von Highway 20 und Inside Passage mit Bella Coola als Schnittstelle ist Canada at its best. Und erstaunlicherweise touristisch noch wenig erschlossen und entdeckt. Auf dass es ein Geheimtip bleibe.








Ungewollter Weise hat sich ein Rudel Delphine aufs Bild vom Leuchtturm geschlichen

Einer der faszinierendsten Orte, den wir je gesehen haben. Die ehemalige Fischkonserven-Fabrik Tallheo ist nur per Boot erreichbar. Seit 1940 ist die Produktion geschlossen. Der Kühlschrank ward erfunden und die Nachfrage nach Lachs (und vielem mehr, siehe RoCo Rorschach) in Dosen brach ein. Die Fischer und Arbeiter verliessen den Ort von einem Tag auf den anderen und hinterliessen Gerätschaften, Mobiliar, Akten und persönliche Gegenstände. Nur eine Familie blieb und pflegt seit zwei Generationen die Wirtschafts- und Wohngebäude so gut es mit den begrenzten Mitteln geht. Garreth und Sky, um die Dreissig, heissen die beiden verbliebenen Hüter des vergessenen Schatzes. Sie führen ein kleines Hotel und machen Touren in die Wildnis und durch ihr Königreich. Uns beeindruckt, mit welcher Leidenschaft sie das Erbe weiterführen. Besser als jedes Museum. Eine einmalig mystische Geisterstadt. Vor einer unvergleichlichen Kulisse.

Als wenn der Highway of Freedom nicht schon reizvoll genug gewesen wäre, endet die Route am Pazifik mit einer Perle. Bella Coola. Ein Ort mit solch einem Namen kann nur schön sein. Bella Coola liegt an einem Inlet, einem Fjord der tief ins Landesinnere hineinragt. Die erste Landüberquerung Kanadas, durch einen Entdecker namens McKenzie, endete 1790 entsprechend an diesem Ort. Wunderbare Szenerie mit in den Fjord hineinfliessenden Bergen. Das Bella Coola Valley ist zudem bekannt für seine Bären. Es wimmelt davon. Heisst es. Schwarzbären und Grizzlys. Gesehen haben wir noch keinen. Wir geniessen statt dessen den Abenteuer-Charme dieses komplett abgelegenen und von Touristen noch ignorierten Ortes. Bis zur Ankunft unserer Fähre übermorgen haben wir Zeit. Die Fähre kommt einmal die Woche. Im Sommer. Im Winter ist man komplett weg vom Schuss.

Wir fahren weiter auf dem Highway 20 aka Highway of Freedom durch Chilcotin Country. In Erwartung einer der schönsten Etappen unserer gesamten Reise. Das Chilcotin ist eine der dünnst besiedelten Gebiete in British Columbia. Und entsprechend alleine ist man on tour. "Faibled and feared, this legendary road is really a pussycat" (Lonely Planet). Bis vor kurzem war der gesamte Highway eine unbefestigte Schlammpiste. Heute sind nur noch 60 der knapp 500 Kilometer ungeteert. Diejenigen über die Küstenberge ans Meer. Die Strecke hält, was sie verspricht. Magistrale Landschaft in Verbindung mit dem gewissen Schuss Abenteuer. So sei es!






"If we haven't got it - you don't need it!". Anahim Lake, eines der wenigen First Nations Dörfer am Hwy 20.

6 Stunden dauert die Fahrt von Clinton an den Clearwater Lake. Zuerst weiter den Cariboo Gold Trail hinauf nach Williams Lake. Dabei passieren wir auch das 108 Miles Roadhouse, wo zwischen 1875 und 1885 die hübsche Schottin Agnus McVee als Hotelinhaberin und Serienmörderin wütete und dabei über 50 Goldsucher im nahen See versenkte. Tempi passati. Wenngleich die Roadhouse Atmosphäre immer noch omnipräsent ist. Bei Williams Lake biegen wir ab auf den Highway 20, auch Highway of Freedom genannt, und fahren tief hinein ins Chilcotin Country. Kanada wie man es sich träumt. Unberührte Wildnis, majestätische Berge, unendliche Wälder, klare Seen, wilde Flüsse. Und natürlich das Blockhaus am See. Mit davorparkiertem Wasserflugzeug und dem Bär im Gebüsch. Unser Blockhaus nennt sich Clearwater Lake Lodge. Geführt von einem deutschen Auswandererpaar, Bernward und Gisela.










Heimelige Clearwater Lake Lodge

Happy Birthday geliebte Claudia! Wir feiern standesgemäss in einem von zwei 'Restaurants' in Clinton. Western Cuisine nennt sich dessen Küche. Was man sich darunter vorstellen darf, ist unten abgebildet.



Vor 3 Monaten hatten wir uns in Oakland an die Fersen Jack Londons geheftet. Wir wanderten durch seine Heimatstadt und besuchten sein Grab im Sonoma Valley. Das entscheidende Kapitel seines Lebens aber schrieb der Goldrausch. Indem er Kapitel schrieb über den Goldrausch. Der Goldrausch dauerte von 1858 bis 1900 und brachte hunderttausende Menschen in den Westen Kanadas. Abenteurer die einen, Verzweifelte die Mehrheit. Die Epoche begann mit dem Fraser-Canyon Golrausch und endete mit dem legendären, in Jack Londons "Ruf der Wildnis" beschriebenen, Klondike Gold Rush. Dazwischen lag der Cariboo Gold Rush und an dieser Cariboo Road, exakt bei Meile 47, sind wir nun. Unglaublich, was für Geschichten diese Zeit geschrieben hat. Erfolgsstories mutiger Pioniere sowie Dramen voller Raub, Mord und Totschlag. Am spannendsten jedoch sind die unscheinbaren Geschichten in der Mitte. Die Schicksale der von der Historie Verwehten, von Menschen als Treibholz des Weltgeschehens. Auf Bildern wirken die Gesichter dieser Verwehten ernst, aber bestimmt. Wissend, dass sie ein Fragment eines grossen Ganzen sind, Teil ihrer Zeit. 100 Jahre später fragte sich Lötscher bereits "war meine Zeit meine Zeit", seiner Rolle in der Zeit unsicher. Und heute? Lässt sich nicht einmal mehr die Zeit beschreiben. Ein postindustrielles Wischiwaschi mit Nonsense-Pionieren wie Mark Zuckerberg, Ramsch made in China und einer sich in Komfort suhlenden, ereignis- und planlosen Schweiz.




Clinton B.C., Entrance to Cariboo Country